Meine Rede zum Antrag „Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen des Landes sichern – Regionale Entwicklungsachsen in der Regionalentwicklungsstrategie ergänzen“ der Fraktion BVB/FREIE WÄHLER vom 15.12.2022. Ihr könnt sie euch auch hier beim rbb anschauen.
Drucksache zum Tagesordnungspunkt 7/6682
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Was sind eigentlich gleichwertige Lebensverhältnisse? Und was ist der Unterschied zwischen „gleich“ und „gleichwertig“? Ich finde tatsächlich, dass das eine bedeutende Frage ist, die wir diskutieren sollten. Eigentlich hätten wir das schon tun sollen, bevor es um den Antrag ging. Nun aber sind wir schon so weit. Ich denke, es geht eben nicht darum, dass jedes Dorf, jede Gemeinde, jede Kleinstadt gleich aussieht, mit exakt den gleichen Bedingungen, der gleichen Inanspruchnahme der gleichen Förderprogramme, exakt gleich aussehenden Straßen und Strukturen. Es geht darum, dass die sehr verschiedenen Regionen hinsichtlich der Lebensqualität ebenbürtig sind und jede Region die Chance hat, sich zu entwickeln, nicht aber darum, dass jede Region gleich ist. Ich glaube, das wäre ein bisschen langweilig.
Ich frage mich ehrlich gesagt, ob die Forderungen in Ihrem Antrag den Kern der Debatte treffen. Sie picken sich zwei Aspekte heraus und betrachten nicht zuerst die aus meiner Sicht größeren Fragen. Wie in der Antwort auf eine Ihrer Kleinen Anfragen geschrieben wurde, werden die Achsen nicht einfach festgelegt. Helmut Barthel und Gordon Hoffmann haben bereits ausgeführt, dass es sich dabei um einen partizipativen Prozess handelt. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage wird auch benannt – das ist aus meiner Sicht die viel wichtigere Frage -, wie es neben den Achsen, die prinzipiell sinnvoll sind, gelingt, die Potenziale aller Regionen zu verbinden.
(Beifall des Abgeordneten Raschke [B90/GRÜNE])
Vizepräsidentin Richstein:
Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Frau Abg. Ricarda Budke (B90/GRÜNE):
Nein, danke. – Vielleicht zunächst ein paar Sätze dazu, warum es prinzipiell Sinn macht, entlang der Schieneninfrastruktur auch andere Strukturen zu entwickeln: Wir haben heute Vormittag eine sehr große Debatte über den Einzelplan des Verkehrsministeriums und damit auch eine große Debatte über die Verkehrswende geführt. Sie zu erreichen wird für uns einfacher, wenn wir es Menschen ermöglichen, die öffentlichen Verkehrsmittel, im besten Falle Züge, zu nutzen. Dafür ist es wichtig, dass wir Planungen, also formelle Instrumente wie den Landesentwicklungsplan, und informelle Instrumente, über die wir gerade reden, in Einklang mit den Orten bringen, in denen bereits nachhaltige Mobilitätsangebote bestehen. Auch das ist Teil der Verkehrswende.
Ich will aber noch einmal auf das zurückkommen, was ich am Anfang sagte: dass es dabei eine zentrale Aufgabe ist, auch die Regionen dazwischen zu entwickeln. Das ist ebenfalls eine Herausforderung, vor der wir stehen. Daher ist es zunächst einmal prinzipiell zu begrüßen, dass wir von „Stärken stärken“ zu „Stärken verbinden“ kommen. Das Verbinden sagt aus, dass es auch um die vielen weiten Räume dazwischen, über die ich vorhin sprach, geht.
Ich will an der Stelle auch noch einmal darauf verweisen, dass es viele starke Förderprogramme gibt. Dies sind vor allem die GRW- und die LEADER-Förderung. Erst in der letzten Woche hat eine große Tagung stattgefunden, auf der die LEADER-Regionen bestätigt wurden. Vielleicht lohnt es, da wir gerade über partizipative Prozesse und ländliche Entwicklung reden, einen Blick hierauf zu werfen. Denn LEADER und die lokalen Aktionsgruppen sind ein sehr gutes Beispiel für gut funktionierende Bottom-up-Prozesse. Ich denke, dass sie ein Vorbild auch für andere Vorgänge sind. Wenn ich es richtig verstanden habe, wurden ja auch genau diese lokalen Akteure einbezogen. In der Bewertung sind wir vielleicht nicht ganz beieinander, aber insoweit bin ich ganz bei Ihnen, Frau Schwarzenberg: Es muss darum gehen, die lokalen Akteure einzubeziehen. Nur wenn wir das schaffen, können derartige Strategien überhaupt Erfolg haben.
Ich will noch ganz kurz auf einen Aspekt in der Begründung eingehen. Herr Dr. Zeschmann, wir sind beide Mitglieder des Sonderausschusses Lausitz. Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass in Elbe-Elster alleine durch das Strukturstärkungsgesetz gleichwertige Lebensverhältnisse gesichert sind. Dem widerspreche ich und weise darauf hin – das ist ein Thema, das wir auch im Sonderausschuss öfter diskutieren -, dass es auch andere Förderprogramme gibt.
Ich will auch noch darauf eingehen, dass Sie schreiben, die Strukturstärkung beziehe sich bisher vor allem auf die Kernregionen. Das stimmt. Ich bin kein Mitglied des Wirtschaftsausschusses; deswegen kann ich nicht beurteilen, welche Debatten dort geführt werden. Ich kann nur die Debatten beurteilen, bei denen ich anwesend war. Vor Kurzem haben wir im Sonderausschuss unter anderem darüber gesprochen, wo schon Projekte entstanden sind und wie viele. Ja, auch ich halte es für wünschenswert, dass aus Elbe-Elster gerade im Strukturstärkungsprozess noch mehr Projekte kämen. Ich bin mir aber auch sicher, dass sie kommen werden.
Diesen Prozess gibt es nämlich erst seit zwei Jahren. Die Kommunen in der Kernregion beschäftigen sich viel intensiver und schon seit Langem mit der Frage des Braunkohleausstiegs. Ich bin mir sicher, dass sich die Kommunen in Elbe-Elster aber auch damit beschäftigen, wie sie in diesen Prozess einsteigen können. Es ist klar, dass sich eine Kommune, die sich direkt am Tagebaurand befindet, in den letzten Jahren anders mit der Braunkohle beschäftigt hat als eine Kommune, in der sie vor 50, 60 oder vielleicht 100 Jahren abgebaut wurde und die sozusagen nicht mehr zum Kernrevier gehört. Dieses Thema haben wir im Sonderausschuss aufgegriffen und sind dazu immer noch in Gesprächen. Ich habe den starken Wunsch, dass wir die Frage, wie wir diese Regionen unterstützen können, weiterdiskutieren, dabei aber auch berücksichtigen, dass wir, was das Strukturstärkungsgesetz angeht, noch 16 Jahre Zeit haben.
(Vida [BVB/FW): Wir haben noch 16 Jahre?)
Ja, das Strukturstärkungsgesetz läuft noch 16 Jahre, Herr Vida. Deswegen haben die Kommunen auch noch 16 Jahre Zeit, Anträge zu stellen.
(Vida [BVB/FW): Habt ihr gehört? Die Grünen sagen, wir haben noch 16 Jahre! – Vereinzelt Heiterkeit)
– Ich sage, dass das Strukturstärkungsgesetz bis zum Jahr 2038 gilt. Dass wir den Kohleausstieg vorziehen wollen, habe ich an dieser Stelle schon häufiger betont. Ich glaube aber, dass das nicht die Frage ist, sondern dass es eher darum geht, wie wir zum Beispiel die Region Elbe-Elster im Strukturwandel unterstützen können. – Herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)