Meine Rede zum Koalitionsantrag „Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am Strukturwandelprozess in der Lausitz stärken“ vom 18.05.2022. Ihr könnt euch meine Rede auch beim rbb ansehen.
Drucksache zum Tagesordnungspunkt 7/5532
Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Blick auf die Demokratie und unser Verhältnis zu unserer eignen Region nicht irgendwo herkommen. Das wird von den Erfahrungen bestimmt, die wir in unserer Jugend machen, und hängt von der Frage ab, ob wir die Möglichkeit hatten, auf unser Umfeld, unsere Umgebung und die Zukunft dessen Einfluss zu nehmen.
Ich glaube, es gibt kaum ein Politikfeld, in dem wir so viel über die Zukunft einer Region diskutieren, wie wir es aktuell bezüglich des Strukturwandels in der Lausitz tun. Und es gibt wohl keine Gruppe von Menschen, die so sehr von der Zukunft betroffen ist, wie es Kinder und Jugendliche sind. Umso mehr freue ich mich, dass es hier parteiübergreifend so viel Rückhalt dafür gibt, dass wir Kinder und Jugendliche mehr an dem Transformationsprozess mitgestalten lassen – außer von dort rechts, aber das brauchen wir an der Stelle häufig nicht mehr zu erwähnen.
Kinder- und Jugendbeteiligung in der Lausitz wird aber nicht nur von der Politik, von uns hier, vorangetrieben, sondern auch von vielen anderen Akteuren. Die Anhörung wurde erwähnt. Neben Jugendinitiativen wie „Jugendwandeltstrukturen“ hat auch zum Beispiel das IASS die Notwendigkeit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen immer wieder betont. Das Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung hat sich gemeinsam mit der Bürgerregion Lausitz schon auf den Weg gemacht, unter anderem einen zivilgesellschaftlichen Knotenpunkt für die Beteiligung zu schaffen. Es ist wirklich großartig, wie viele Akteure in diesem Land – sowohl Kinder und Jugendliche selbst als auch Erwachsene – die Interessen von Kindern und Jugendlichen auf dem Schirm haben und dafür kämpfen.
(Beifall B90/GRÜNE, SPD und CDU)
Ja, das ist einen Applaus wert. – Nicht zuletzt will ich unsere Landes-Kinder- und Jugendbeauftragte erwähnen, weil mir in dem Prozess der Ausarbeitung dieses Antrags und generell in dem Prozess des Einsatzes für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen richtig aufgefallen ist, wie gut und richtig es war, dass wir ihre Stelle in dieser Legislaturperiode eingeführt haben.
(Beifall B90/GRÜNE, SPD sowie vereinzelt CDU)
Aber mit am wichtigsten sind natürlich die Gespräche mit Kindern und Jugendlichen selbst. Wir haben das im Ausschuss gemacht. Ich reise immer noch viel durch die Lausitz, um mit den Kindern und Jugendlichen zu sprechen, zum Beispiel mit dem Jugendbeirat in Herzberg und in Ruhland mit jungen Menschen aus der Kirchengemeinde. Ich war aber zum Beispiel auch in Bautzen, um mir die sächsische Perspektive anzuhören, und weiteren Orten. Dabei und im Ausschuss sind mir drei Dinge ganz besonders aufgefallen:
Der erste Punkt ist: Junge Menschen wissen häufig, was sie wollen. Der zweite Punkt ist aber: Wir müssen die Kinder und Jugendlichen auch befähigen, sich mit dem, was sie wissen und wollen, tatsächlich einzubringen. Da finde ich sehr wichtig – es wurde von vielen angesprochen -, dass Kinder und Jugendliche die Infos erhalten, die sie abholen, die sie verstehen können, die sie brauchen, um sich zu beteiligen. Social Media ist da eine naheliegende Sache, aber mindestens genauso wichtig ist es, dass wir in die physischen Räume gehen. Wir sprechen in unserem Antrag eben nicht nur die Schule, sondern – das war ein expliziter Hinweis, der von jemandem auf der Tribüne kam – auch die außerschulische Bildung an. Das ist so wichtig, weil Kinder und Jugendliche nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern junge Menschen auch in anderen Bereichen sind, und wir müssen sie dort abholen, wo sie gern sind, wo sie Spaß haben, wo sie sich beteiligen wollen.
(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und CDU)
Sie fragen sich häufig, ob sie überhaupt Teil dieses ganzen Prozesses sind, fragen sich, was er eigentlich mit ihnen zu tun hat. Wir müssen sie manchmal noch ein bisschen dahin bringen – viele tun das aber auch schon -, sich die Frage zu stellen: Was finde ich gut, und was fehlt mir noch? – Das sollen sie dann eben auch äußern können. Dafür müssen wir drittens Angebote schaffen, durch die Jugendliche Lust bekommen, sich einzubringen. Das sind eben meistens nicht Gremiensitzungen. Ich fand Gremiensitzungen als junger Mensch gar nicht so schlimm, weiß aber, dass viele junge Menschen das wirklich nicht mögen. Das ist auch in Ordnung; viele Erwachsene mögen das nebenbei gesagt auch nicht. Das bedeutet, wir brauchen Beteiligungsangebote, zum Beispiel Jugendkonferenzen, die dann stattfinden, wenn Jugendliche Zeit haben, und an Orten, an die sie sowieso kommen, an denen wir sie erreichen können.
Natürlich sind aber auch die Kommunen weiterhin in der Pflicht, § 18a Kommunalverfassung umzusetzen und über den Jugendcheck dann auch zu bestätigen, dass Kinder- und Jugendbeteiligung stattgefunden hat. Liebe Anke Schwarzenberg, ich stimme dir total zu, wenn du sagst: Kinder und Jugendliche sehen oft das, was vor ihrer Haustür in den Orten passiert. Es gibt aber auch viele Kinder und Jugendliche in der Lausitz, die sich tatsächlich lausitzweit beteiligen wollen. Und deswegen wollen wir mit diesem Antrag auch ein lausitzweites Verfahren auf den Weg bringen, das von Fachleuten aus dem Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung, die schon die Personalstellen dafür haben, gestaltet werden soll. Ich bin mir sicher – sie haben uns nämlich bereits Vorschläge im Ausschuss vorgestellt -, dass sie viele Antworten auf die Fragen, die Sie jetzt aufgeworfen haben, finden werden – viel bessere Vorschläge, als wir sie allesamt in einem Landtagsantrag unterbreiten könnten.
Kurz noch einmal zu Ihrem Antrag; ich habe leider nicht mehr so viel Zeit: Ich finde ein Kinder- und Jugendbudget durchaus diskutierenswert. Ich stimme aber Sascha Philipp zu, dass das nicht die zentrale Fragestellung in unserem Antrag ist. Hier geht es um den Strukturstärkungsprozess in der Lausitz. Ich muss aber auch sagen: Ich glaube, wir können kein Projekt, das um die 8 Millionen Euro jährlich kosten würde, per Entschließungsantrag, der gestern Mittag vorlag, mal eben so beschließen. Katrin Lange ist, glaube ich, gar nicht da; aber das würde sie in jedem Fall nicht mitmachen. Ich würde mich aber freuen, wenn wir solche Fragen weiter diskutieren. Ich möchte auch noch einmal diese Anmerkung in diesem Raum machen: Wenn wir Kinder- und Jugendbeteiligung ernst meinen – und das im ganzen Land -, dann bedeutet das auch, dass das Geld kosten wird. Und das sollten wir bei den Haushaltsverhandlungen Ende des Jahres nicht vergessen.
Ich freue mich sehr darauf, dass wir mit diesem Antrag – wie schon mit dem letzten Antrag zu Frauen – die Perspektiven vieler Menschen in den Strukturwandelprozess einbringen …
Vizepräsident Galau:
Frau Kollegin, Sie müssten jetzt wirklich zum Schluss kommen.
Frau Abg. Ricarda Budke (B90/GRÜNE):
Ich bin gleich fertig.
… und immer breiter denken können. Nur so kann der Prozess gelingen. Und damit kommen wir heute einen großen Schritt weiter. – Danke.
(Beifall B90/GRÜNE und SPD sowie des Abgeordneten Bretz [CDU])