20. März 2024 | Jugend, Mündliche Anfrage, Themen in der Region

Mündliche Anfrage zum tätlichen Übergriff durch einen Lehrer in Cottbus

Meine mündliche Anfrage zum mutmaßlich rassistischen Übergriff eines Lehrers auf einen Schüler in Cottbus und die Antwort des Bildungsministers vom 20.03.2024:

Frau Abg. Ricarda Budke (B90/GRÜNE):

Herzlichen Dank für die ausführlichen Erläuterungen und für Ihre Klarstellung gleich am Anfang. Ich glaube, wir alle haben Verständnis dafür, dass aus laufenden Verfahren nichts berichtet werden darf. Trotzdem hätte ich noch Nachfragen. Mich würde, anschließend an Frau Dannenbergs Frage, interessieren, was die Grundlage für die Einschätzung ist, dass der Vorfall nicht rassistisch motiviert war. Wie kommt diese Einschätzung zustande?

Und mich würde interessieren: Welche – strukturellen – Konsequenzen wurden auf höherer Ebene, sozusagen übergeordnet, aus dem Fall gezogen? Werden jetzt im Schulamt vielleicht auch Fragen danach gestellt, warum es überhaupt so weit gekommen ist, warum nicht vorher präventive Maßnahmen ergriffen wurden? Sie haben ja ausgeführt, welche präventiven Maßnahmen jetzt ergriffen werden. Wir alle wissen, dass die RAA beispielsweise gute und wichtige Arbeit leistet. Trotzdem kam es zu diesem drastischen Vorfall. Daher würde mich interessieren: Welche Konsequenzen werden jetzt auf einer höheren politischen Ebene aus diesem Vorfall gezogen?

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:

Wir schließen bitte noch die Frage von Herrn Abgeordneten Schieske an.

Herr Abg. Schieske (AfD):

[..]

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:

Herr Minister, bitte.

Minister für Bildung, Jugend und Sport Freiberg:

Ich fange einmal an. Wichtig ist mir – wenn Sie sagen, was ich gesagt hätte -, klarzustellen, was ich gesagt habe und was nicht.

Nicht ich habe es gesagt, sondern ich habe deutlich gemacht, dass es die Darstellung von der betreffenden Lehrkraft war, dass es infolge einer Provokation zu diesem Vorfall kam. Das habe also nicht ich gesagt, sondern ich habe wiedergegeben, was die Lehrkraft angegeben hat. Meine Einschätzung, dass Gewalt gegen Kinder insgesamt, zumal gegen Kinder in Schutzbefohlenenverhältnissen, nicht geht, habe ich klar und deutlich geäußert -das will ich sagen.

Es war eine tarifbeschäftigte Lehrkraft.

(Schieske [AfD]: Okay. – Frau Dannenberg [Die Linke]: Wollen Sie jetzt Propaganda gegen Seiteneinsteiger machen, oder was? – Gegenruf des Abgeordneten Schieske [AfD])

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Minister für Bildung, Jugend und Sport Freiberg:

Ich sortiere die Antworten entsprechend der Reihenfolge der gestellten Fragen. – Frau Budke, Sie haben gefragt, wie das Staatliche Schulamt zu seiner Einschätzung kam. Ich sage es noch einmal: Meine Antwort basiert auf den heute vorliegenden Informationen, nach dem Zugang zu Quellen. Das ist die Einschätzung, die ich heute treffen kann. Am Ende entscheidet natürlich das Ergebnis der polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Der Lehrer war seit mehreren Jahren an der Schule tätig. Die Schülerschaft dieser Schule hat – das sage ich in Richtung von Herrn Schieske – einen Migrationsanteil von beinahe 50 %. Dort sind auch Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund tätig.

Die Einschätzung, dass der Kollege – oder: die betreffende Lehrkraft vor Ort – nicht aus strukturell-rassistischen Motiven heraus gehandelt hat, ergibt sich aus der Aktenlage. Es gab eine Beschwerde, dass der Herr sich gegenüber Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu anderen Schülern in der Bewertung zu wohlwollend verhalten habe.

Es gibt Aussagen aus dem Lehrerkollegium, von beiden Schulleitungen, des Personalrates, der Rechtsstelle des Staatlichen Schulamtes und des Schulamtsleiters, die übrigens selbst mit der Lehrkraft gesprochen haben. Ich zitiere aus diesem Kreis jetzt nur eine Stimme, ohne zu sagen, welche es ist: Das ist völlig unvorstellbar! – Das ist ein wörtliches Zitat aus der Antwort auf die konkrete Frage, ob dieser Vorfall einen rassistischen Hintergrund gehabt haben könnte. Es ist ein Mann, der viele Jahre hinweg ohne Beschwerden an dieser Schule gearbeitet hat. Er wurde von seinen Kollegen, dem Personalrat und den Schulleitern – übrigens auch von der neuen Schulleitung – positiv eingeschätzt. Die RAA, die auch an dieser Schule tätig war, kam nach dem Draufblick auf die Situation zu demselben Ergebnis.

Das Staatliche Schulamt kam nach Sichtung all dessen zu der Einschätzung: Nein, es ist keine Frage von Rassismus oder strukturellem Rassismus. Hier liegt eine – unentschuldbare! – Reaktion eines Lehrers in einer Unterrichtssituation vor, eine Reaktion, die so niemals hätte erfolgen dürfen. In dieser Bewertung sind sich durch die Bank alle einig.

Was machen wir an dieser Schule? Dort wird bereits ein Schutzkonzept erarbeitet. Ergänzend will ich darauf hinweisen, dass das Schulgesetz eine Regelung enthält, wonach die Schulen solche Schutzkonzepte erarbeiten sollen. Die Vorarbeiten zur strukturellen Unterstützung der Schulen laufen. Ich wiederhole: An dieser Schule erfolgt schon die Arbeit an einem konkreten Schutzkonzept. Daran beteiligt ist unter anderem ein ehemaliger Schulleiter. Viele andere Experten sind zusammengezogen worden, um die Schule zu unterstützen.

Ich weiß momentan nicht – dazu habe ich in der Vorbereitung auf diese Sitzung nicht nachgefragt -, ob vor oder nach diesem Vorfall damit begonnen wurde; aber die Arbeit an einem solchen Konzept erfolgt dort auf jeden Fall. Es zeigt sich, dass es gut ist, wenn Schulen solche Konzepte haben; damit wird auch ihre Handlungssicherheit erhöht.

Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, dass der Schulleitung aus meiner Sicht überhaupt kein Vorwurf zu machen ist, in keiner Art und Weise.

Damit komme ich zu Ihren Fragen, Frau Dannenberg, wenn Sie gestatten. Wir haben die Situation, dass der Verein Opferperspektive öffentlich agiert hat und für sich in Anspruch nimmt, namens der Eltern zu agieren. Insofern muss man sagen, dass es kein völliges Einvernehmen gibt. Aber ich will klar sagen: Eine konkrete Gesprächsanfrage oder -bitte an das Staatliche Schulamt – nach den Gesprächen, zu denen ich hier vorgetragen habe – hat es seitens der Eltern, so die Aussage des Schulamtes, bisher nicht gegeben. Ich habe das Schulamt gebeten, die Eltern noch einmal zu einem Gespräch einzuladen.

Wie ist meine Einschätzung der Situation? Kann ich mir ein Bild davon machen? Ich war noch nicht vor Ort, habe aber lange mit der Schulleiterin telefoniert. Ich glaube, dass die Schule insbesondere der Vorwurf des strukturellen Rassismus extrem hart trifft. Die Schulleiterin selbst sagt: Wir sind eine bunte, offene Schule. Wir haben tausend Probleme, tausend Herausforderungen zu bewältigen – klar. Aber eines sind wir ganz sicher nicht -ein Ort für Rassismus.

Ich möchte die Beantwortung der Fragen dazu nutzen, den Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Schule tätig sind, zu danken. Den ersten Indikator des Sozialindexes habe ich benannt; weitere Indikatoren sind der sonderpädagogische Förderbedarf und die SGB-II-Quote. Wenn wir uns das angucken, stellen wir fest: Es ist eine Schule in einer sehr herausfordernden Lage.

Wir wissen, dass diese Schule seit Jahren hervorragende pädagogische Arbeit leistet. Wir alle sind den Menschen, die diese Arbeit vor Ort leisten, zu Dank verpflichtet. Sie stellen sich den Herausforderungen dort jeden Tag, trotz schwieriger Bedingungen. Ich jedenfalls möchte dafür ganz herzlich Danke sagen.

Über die Unterstützungsmöglichkeiten haben wir schon gesprochen. Die Unterstützung ist angesichts der Aufstellung der Hilfssysteme in Brandenburg herausfordernd, weil diese darauf ausgerichtet sind, einer Schule mehr Lehrerwochenstunden zuzuweisen und damit Probleme zu lösen. Uns steht allerdings kein zusätzliches Personal zur Verfügung; das wissen auch Sie. Wir haben dort eine temporäre Lerngruppe eingerichtet, insbesondere mit Blick auf den – unter Berücksichtigung der pädagogischen Grundbedingungen – besonders herausfordernden Jahrgang.

Sowohl ich als auch das Staatliche Schulamt haben mit der Schulleiterin gesprochen. Die Fortbildungen, die angemeldet werden, und die sonstigen von der Schule angefragten Unterstützungsmaßnahmen unterstützen wir vorbehaltlos. Wir werden uns noch einmal gemeinsam hinsetzen, um zu schauen, wie man dieser Schule in ihrer Situation konkret helfen kann, die nächsten Wochen, Monate und Jahre gut zu bestehen.

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