Meine Rede zum Antrag „Grundrecht auf Wohnen sichern – neue Wohngemeinnützigkeit einführen“ der Fraktion DIE LINKE vom 22.09.2023. Ihr könnt sie auch hier beim rbb anschauen.
Drucksache zum Tagesordnungspunkt 7/8369
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Alle 20 Minuten geht in Deutschland eine Sozialwohnung verloren. Das sind drei in der Stunde oder 72 am Tag. Dadurch haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt, dass sich die Anzahl der Sozialwohnungen halbiert hat, während – jetzt gut aufpassen, das passt nämlich nicht zu der vorher geführten Debatte – die Gesamtzahl der Wohnungen aber steigt, und das gilt auch für die Gesamtmenge an Quadratmetern, die wir in Deutschland als Wohnraum zur Verfügung haben. Trotz dieser Zunahme an Wohnraum erleben wir, dass es gerade in Ballungsräumen extrem herausfordernd ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Gleichzeitig steigt aber gerade auch in den einkommensstarken Schichten die Quadratmeteranzahl, die pro Person zur Verfügung steht. Auch im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung zeigt sich, dass in den letzten zehn Jahren trotz Zuwanderung pro Person mehr Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen als davor.
Das zeigt, dass das Dogma „Bauen, Bauen, Bauen“ eben nicht zwangsläufig hilft, die Wohnungskrise zu lösen, sondern Bauen nur hilft, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen stimmen.
(Beifall B90/GRÜNE und DIE LINKE – Zuruf des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD])
Die Entwicklung, die wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben, zeigt ganz gut, dass die Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit, die noch in der alten Bundesrepublik von einer konservativen Bundesregierung beschlossen wurde, kurzfristig vielleicht Geld sparte, aber langfristig massiven Schaden anrichtete.
Ich muss sagen, während ich hier der Debatte lauschte, haben mich verschiedene Äußerungen doch etwas verwirrt: Aus meiner Sicht hatten wir in Westdeutschland auch schon vor 1990 eine soziale Marktwirtschaft. Deswegen finde ich die Erwähnung von Sozialismus in Bezug auf eine Wohngemeinnützigkeit, welche in vielen europäischen Ländern existiert, etwas befremdlich.
(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)
Aber es gibt durchaus einen entscheidenden Unterschied zwischen der Wohngemeinnützigkeit und der aktuellen Förderlogik:
Das ist die Zeitdauer, auf die eine bezahlbare Wohnung angelegt ist. Aktuell haben wir damit zu kämpfen, dass sehr viele Wohnungen nach und nach durch das Ablaufen der Fristen aus Belegungsbindungen rausfallen, denn die Förderung ist immer nur an einen bestimmten Zeitraum geknüpft. Dadurch kommt eine Sozialwohnung – beispielsweise nach 25 Jahren – wieder auf den freien Markt. Da stecken wir in einem Teufelskreis: Wir bauen immer weiter sozialen Wohnraum nach, anstatt diesen zu halten. Und wir schaffen es nicht einmal annähernd, so viel zu bauen, wie wir müssten, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.
Der Ansatz der neuen Wohngemeinnützigkeit ist, genau das zu verhindern und aus dem aktuellen Hamsterrad auszubrechen. Es geht um dauerhaft bezahlbare Mieten, die beispielsweise durch steuerliche Förderung und Investitionszulagen sichergestellt werden. Isabelle Vandre hat vorhin das Beispiel Wien angesprochen, wo seit Langem eine Wohngemeinnützigkeit existiert. Das sichert bezahlbaren Wohnraum und macht auch energetische Sanierungen möglich. Das ist ja ein weiteres Problem, das wir aktuell haben: Wir müssen zusehen, dass wir unseren Wohnungsbestand energetisch sanieren, um die Klimaziele, die wir haben, zu erreichen.
Als Bündnisgrüne haben wir im Bundestag bereits 2020 einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt, wie man eine neue Wohngemeinnützigkeit ausgestalten könnte, und gemeinsam mit der Linksfraktion damals eine Anhörung im Bauausschuss auf den Weg gebracht. Ich bin sehr froh, dass dieses Engagement auf Bundesebene im Koalitionsvertrag der Ampel mündete und es da inzwischen auch Eckpunkte gibt, die, na ja, nach etwas längerer Zeit vorgelegt wurden und, wie der Presse zu entnehmen ist, in verschiedenen Varianten im zuständigen Ausschuss diskutiert werden.
Ich finde es aber schon schwierig, dass wir jetzt hier darüber diskutieren, während gleichzeitig die Besprechungen im Bauausschuss laufen. Wir haben nur das vorliegen, was in der Presse steht; wir haben nicht unbedingt alle Vorlagen, die im Bauausschuss auf Bundesebene diskutiert werden. Deshalb finde ich es schon schwierig, wenn wir hier jetzt mit bestimmten Forderungen ins Detail gehen, bei denen wir noch gar nicht wissen, ob sie überhaupt im Rahmen dessen sind, was wir möglich machen können.
Gleichzeitig will ich aber sagen, dass das größte Problem aus meiner Sicht ist, dass es dafür bisher noch keine Finanzierungsquellen im Haushaltsentwurf gibt – weder für die Steuererleichterungen noch für Zuschüsse.
(Dr. Zeschmann [BVB/FW]: Ach! – Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE] – Drenske [AfD]: Geld spielt doch keine Rolle!)
Aus meiner Sicht ist eine Wohngemeinnützigkeit ohne Zuschüsse sehr schwer umzusetzen. Daher bin ich aber ganz froh, dass Ludwig Scheetz angesprochen hat, welche Fraktionen der Bundesregierung sehr stark dafür kämpfen, und ich bin mir sicher, dass wir das als Fraktion aus Brandenburger Sicht auch an unsere Bundesebene herantragen.
(Beifall B90/GRÜNE und SPD)
Ich kann einige der genannten Punkte im Antrag tatsächlich unterstützen, denn der Ruf nach der schnellen Einführung der Wohngemeinnützigkeit ist sehr groß, auch bei uns im Land. Doch sich jetzt hier auf konkrete Zahlen und Wege festzulegen, während an anderer Stelle die Debatte vielleicht schon viel weiter ist, halte ich für nicht sinnvoll. – Herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE, SPD und CDU)